"Schlafender Virus", Kurzkrimi in "Mord und Totschlag"
Edition Leserunde, Frankfurt am Main,
ISBN 978-3- 940387-08-0


Schlafender Virus         

Lautstark drangen schreiende Stimmen aus dem Büro der Geschäftsleitung. Wolfgang Marckmann, in der Firma nur der Alte genannt, und sein Sohn Holger Marckmann schrieen sich an wie Marktweiber auf einem mittelalterlichen Markt. Wäre die Tür nicht so gut isoliert gewesen, hätte die Angestellten jedes Wort verstanden.

„Du fährst den ganzen Laden an die Wand, wenn wir nicht endlich umsteuern,“ schrie wütend der Junior.

„Du hast doch überhaupt noch keine Ahnung vom Geschäft, dabei würdest du es gerne schon heute übernehmen, wenn ich dich ließe. Was das wohl werden würde,“ kam die Retourkutsche des Alten.

„Schau doch auf die Zahlen. Seit über einem Jahr, Monat für Monat nur rote Zahlen!“

„Und ich sage dir, man muss Geduld haben, wenn man eine neues Geschäftsfeld erobern will!“

„Ja, bis wir pleite sind! Soll ich solange Geduld haben?“

Der letzte Satz war bis in den letzten Winkel des mit Pflanzen vollgestellten Großraumbüros zu hören, denn Holger Marckmann schrie diesen von der schon geöffneten Tür aus, bevor er sie mit einem lauten Knall in ihre Angeln warf. Dieses Geräusch war so bekannt im Büro, dass niemand von seinem Bildschirm aufschaute, als Holger Marckmann schnell zu seinem Arbeitsplatz ging. Lediglich die Chefprogrammiererin Sylvia Weber schaute ihm gedankenvoll nach. Sie wusste, was alle wussten: Um die Firma PC- Consult Marckmann stand es, vorsichtig ausgedrückt, nicht gut. Sie hatten sich vergaloppiert. Ihr Produkt, ein Bundle aus Hard- und Software war gut, sehr gut sogar. Aber sie kamen gegen die Großen auf dem Markt nicht an. Noch schoss der Alte Monat für Monat frische Geld in die Firma, den er war einer der starrköpfigen Alten, die ihren Fehler nicht einsehen können. Aber wie lange würde es gut gehen? Wie lange wäre ihr Arbeitsplatz noch sicher?

Holger Marckmann wusste natürlich Genaueres. Aber ihm ging es nicht um seinen Arbeitsplatz, ihm ging es um sein Erbe. Bei einem seiner Spaziergänge am Flussufer oder abends im Bett hatte er sich schon oft ausgemalt, wie er die Firma verkaufen und mit dem Geld durch die Welt reisen würde. Einige Jahre würde er reisen können, mindestens. Aber wenn es so weiter ging  mit den Verlusten, dann würden bald seine Pläne zu Asche verbrannt sein. Dann bleibe ihm vielleicht gerade noch eine Woche Last- Minute auf Mallorca.

Zwar war sein Vater schwer krebskrank. Doch die letzte Chemo hatte gut angeschlagen und der behandelnde Arzt sprach seinem Vater Mut zu und meinte, mit Glück wären ihm noch zwei Jahre beschieden. In diesen wollte der Alte unbedingt sein Projekt zum Erfolg führen. Doch der Junior wusste, die zwei Jahre wären das Ende seines Erbes und seiner Träume.

Mühsam versuchte sich Holger Marckmann auf seine Arbeit zu konzentrieren; er sollte neue Entwicklungen auf dem EDV- Markt analysieren. Auf der Internetplattform einer Fachzeitschrift stieß er auf einen interessanten Artikel, der jedoch nichts mit seinem Auftrag zu tun hatte. „Bislang sind Handy-Viren/ Würmer noch kaum verbreitet, und die Infektion eines Automobils wurde noch nicht nachgewiesen. Allerdings ist schon jetzt abzusehen, dass auf die Hersteller und Kunden bei der weiter fortschreitenden Integration der Computertechnik in Fahrzeugen ein Problem zukommt.“ (heise online, 09.02.2005).

Der ganze Krimi kann in dem oben genannten Buch gelesen werden.